Bürgerinitiative
Misselwarden
Sie wollen die Bürgerinitiative gegen den geplanten Stall ins Leben rufen (sitzend von links): Dieter und Elke Kessener, (stehend von links): Gunnar Genz, Bernd und Claudia Zemke.
Jens Adickes will dort Hühner halten, aus deren Eiern Küken für die Mast schlüpfen sollen. Nachwuchs für den boomenden Hähnchenfleischmarkt in der Republik. Der 44-Jährige, im Hauptberuf Agraringenieur bei der Landwirtschaftskammer in Bremervörde, will damit, wie er sagt, seinen kleinen Familienbetrieb fit machen für die Zukunft. „Ich bin immer vom Herzen her Landwirt gewesen“, sagt er. „Und wenn ich den Betrieb erhalten will, dann muss ich etwas tun.“ Dieter Kessener, der auch im Gemeinderat sitzt, schüttelt nur den Kopf. Als die Pläne den Lokalpolitikern auf den Tisch flatterten, ist ihm gleich der Hut hochgegangen. „Wir sind eine Tourismus-Region, hinterm Deich beginnt gleich der Nationalpark Wattenmeer – da passt eine solche Massentierhaltung einfach nicht hin“, findet der SPD-Mann. Natürlich fürchtet er auch um die Lebensqualität in dem 450-Seelen-Dorf. Der Gestank, der bei Nordwestwind über den Ort ziehe, die Belastung mit Keimen, die bei einer intensiven Tierhaltung sehr groß sei und der Lieferverkehr mit den schweren Lkw – die Argumente, die Kessener aufzählt, sind die, die vielerorts gegen die moderne Tierhaltung ins Feld geführt werden. „Man will den Bauern nichts Schlechtes, aber die Höfe werden immer größer“, sagt seine Frau Elke. Tatsächlich hinterlässt der Strukturwandel im Umfeld von Misselwarden deutliche Spuren. Nicht weit von Adickes’ Grundstück entfernt hat Friedrich Spinck Ende der 90er einen großen Schweinestall für 500 Sauen und 500 Ferkel gebaut, auch er möchte jetzt gerne erweitern. Richtung Westen hat Wolfgang Brömmer vor zwei Jahren eine Biogas-Anlage und zwei Hähnchenmastställe für insgesamt 75000 Tiere gebaut. Und im benachbarten Mulsum hält Putenmäster Hartwig Sierck an zwei Standorten 46000 Tiere.
„In der Landwirtschaft findet ein Strukturwandel statt, der noch lange nicht abgeschlossen ist“, sagt der angehende Hühnerbauer Adickes. Aber die Betriebe bräuchten diese Strukturen, damit dort auch Geld verdient wird. Auch sein Berufskollege Friedrich Spinck weist die Kritik zurück: „Die Leute wollen immer alle günstige Lebensmittel, aber produziert werden sollen sie nicht vor der eigenen Haustür.“Das wollen die Anwohner des Lütjendorfer Wegs tatsächlich nicht. 200 Flugblätter haben sie im Ort verteilt, um für ihre Initiative zu werben. Am nächsten Donnerstag wird sie aus der Taufe gehoben. „Wir“, sagt Dieter Kessener, „werden uns wehren.“
veröffentlicht am 02.07.2011, Nordsee Zeitung
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