Bürgerinitiative

Misselwarden


„Wir wollen hier keine Agrarfabrik“

„Da wird der Bevölkerung Angst gemacht“, findet der stellvertretende Landvolk-Vorsitzende Dirk Tramsen. In Nordholz würden die Leute auch ohne Probleme neben den Hühnerställen der Firma Lohmann leben.

Kämpft für eine andere Tierhaltung: Christian Meyer , agrarpolitischer Sprecher der Grünen.

Wremen. Dirk Tramsen stand allein auf weiter Flur. Der stellvertretende Landvolk-Chef mühte sich, dem in Misselwarden geplanten Hühnerstall mit 53 000 Tieren den Schrecken zu nehmen. Ohne Erfolg. Die Stimmung auf der Info-Veranstaltung der Bürgerinitiative in Wremen war eindeutig. „Wir wollen keine Agrarfabrik an der Küste“, sagte Wurstens SPD-Fraktionschef, Henry Kowalewski.

Von Inga Hansen


Vier Hallen, je 80 mal 24 Meter groß, mit elf Meter hohen Ablufttürmen, dazu sechs Futtersilos, die ebenfalls fast zehn Meter hoch sind und ein großer Güllebehälter – so sieht der Hühnerstall aus, den Jens Adickes zwischen dem Deich und dem Dorf, rund 600 Meter von den ersten Wohnhäusern entfernt, hochziehen will. Der Nebenerwerbsbauer, eigentlich Agraringenieur bei der Landwirtschaftskammer in Bremervörde, will dort Hühner halten, die Nachwuchs für den boomenden Hähnchenmast-Markt produzieren sollen.

Bei den Anwohnern sorgten diese Pläne für einen Aufschrei. Sie haben eine Bürgerinitiative (BI) ins Leben gerufen und nach eigenem Bekunden inzwischen über 300 Unterschriften dagegen gesammelt. „Eine solche Massentierhaltung passt einfach nicht in eine Tourismus-Region“, sagt BI-Gründer Dieter Kessener.

 

Filter sind keine Pflicht


Argumentative Schützenhilfe bekamen sie jetzt von Christian Meyer, dem agrarpolitischen Sprecher der grünen Landtagsfraktion. Für ihn ist die Hühnerhaltung vor allem in den Mast-ställen Tierquälerei. Die Hennen in Misselwarden würden Küken ausbrüten, die später mit bis zu 25 Tieren auf einem Quadratmeter lebten. Wegen der Enge seien die Hühner krankheitsanfällig und müssten während ihrer gut 30 Tage währenden Lebenszeit drei bis sechs Mal mit Antibiotika behandelt werden. Zudem seien die Ställe Brutstätten für Bakterien, die auch den Menschen gefährlich werden könnten. „Da die meisten Hähnchenfabriken keine Filteranlagen haben, verteilen sie Gestank, Keime und Ammoniak in der Umgebung“, so Meyer.

Für Dirk Tramsen ist das reine Panikmache. „Da wird der Bevölkerung ohne Grund Angst gemacht“, regte sich der Landwirt auf. Die Firma Lohmann betreibe im Nordkreis bereits seit Jahrzehnten etliche große Legehennenställe, zum Teil, wie in Nordholz, „nur drei Steinwürfe“ von den Wohnhäusern entfernt. „Und dort gibt es keine Probleme.“

Argumente, die die rund 80 Zuhörer im Saal nicht überzeugten. Sie wollten vor allem wissen, wie sie den Stall in Misselwarden verhindern können. Tipps gab da der Grünen-Politiker Meyer. Genehmigt wird der Stall vom Landkreis, die Gemeinde könne aber eine Stellungnahme dazu abgeben. Ein Knackpunkt könnten die Zufahrtsstraßen sein, sagte Meyer. „Es geht darum, ob sie geeignet sind für den Lkw-Lieferverkehr zum Stall, ob sie ausgebaut werden müssen und wer den Ausbau bezahlt.“ Da habe die Gemeinde ein entscheidendes Wort mitzureden.

Generell können die Bauern außerhalb der Dörfer zu bauen, ohne dass die Kommunen ihr Ja-Wort geben. Für Stallbauten braucht es keine Bauleitplanung. Allerdings wächst in den Vieh-Hochburgen Emsland, Oldenburg und Vechta der Widerstand dagegen. Dort sind etliche Mastställe entstanden, jetzt versuchen die Kreise, mit immer neuen Auflagen gegen die Agrarfabriken vorzugehen. So fordern sie zusätzliche Gutachten über die Keimbelastung oder Rettungspläne für die Hühner im Fall eines Brandes. „Dadurch liegen dort viele Stallbau-Pläne auf Eis“, machte Meyer den Gegnern Hoffnung.

Bürgerinitiative im TV

Die Bürgerinitiative gegen den Stallbau in Misselwarden taucht auch in der Fernsehreportage „Das Sy-stem Wiesenhof – Wie ein Geflügelkonzern Tiere, Menschen und die Umwelt ausbeutet auf, die am Mittwoch, 31. August, ab 21.45 Uhr in der ARD gezeigt wird.

 

veröffentlicht am 27.08.2011, Nordsee Zeitung


 


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