Bürgerinitiative

Misselwarden



Protest gegen Hühnerfarm

Wir haben schon überlegt, wegzuziehen. Aber wer würde unser Haus jetzt noch kaufen?“.Anwohnerin Claudia Zemke

Wir wollen keine Massentierhaltung, keine Tierquälerei und keinen Gestank“, sagen Talina Domeyer (rechts) und Schwester Nadja (mit Alice). Beide sorgen sich auch um die Immobilienpreise. „Wenn wir später einmal das Haus unserer Eltern übernehmen wollen –

 

Demo in Misselwarden:

Bürgerinitiative und Anwohner wehren sich gegen geplante Geflügelzuchtanlage

Susanne Seedorf


MISSELWARDEN. „Wesjohann go home“, „Massentierhaltung nein danke“ – Protestschilder säumen zurzeit die Straßen in Misselwarden. Viele Bürger machen dort gegen eine geplante Hühnerfarm mobil und sind damit Teil einer überregionalen Front gegen den größten deutschen Geflügelkonzern: das Imperium der Wesjohann-Familie. Vergangene Woche demonstrierten rund 70 Misselwardener gegen die geplante Zuchtanlage. Mit dabei: ein Fernsehteam von Report Mainz. Ende August soll der Bericht ausgestrahlt werden.


Vom Lütjendorfer Weg pilgerten die Anwohner und Mitglieder der Bürgerinitiative ein paar Hundert Meter weiter Richtung Außenbereich. Dorthin, wo ein Misselwardener demnächst in einer 180 Meter langen Halle 53000 Hühner halten will. Aus den befruchteten Eiern dieser Elterntiere schlüpfen die Küken, die später bei Wiesenhofvertragspartnern gemästet werden. Besonders dicht dran an der Geflügelanlage – nämlich 80 Meter – wäre die Familie Zemke. Mögliche Keime und Gerüche bereiten ihnen Sorgen. „Wir haben schon überlegt wegzuziehen. Aber wer würde unser Haus jetzt noch kaufen?“, sagt Claudia Zemke resigniert. Ihr Sohn Torben stellt klar, dass er in keiner Weise etwas gegen Landwirtschaft habe – zumal er selbst eine Ausbildung in einem Lohnunternehmen mache. „Aber was hier geplant ist, hat nichts mehr mit Landwirtschaft zu tun. Die Tiere werden niemals das Tageslicht sehen.“Unterstützung bekommen die Misselwardener vom Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“, ein Zusammenschluss aus 100 Bürgerinitiativen und Organisationen wie BUND, Tierschutzbund und Evangelischer Entwicklungsdienst. Aktivist Eckehard Niemann hält die Chancen, etwas gegen große Stallanlagen ausrichten zu können, für nicht schlecht. „Das Klima hat sich geändert“, meint er. Vor allem die Themen Brandschutz und Keimbelastung hätten in vielen Landkreisen zu Baustopps geführt. Weil zu diesen beiden Punkten auch von kommunaler Seite Unsicherheit bestehe, brächten der Niedersächsische Landkreistag und das Sozialministerium demnächst eine so genannte Handreichung heraus, so Eckehard Niemann. Wenn die jedoch nicht ausreichend sei, werde das Netzwerk eine Musterklage anstreben.Unterdessen wehrt sich Geflügelzüchter Wiesenhof gegen die massiven Vorwürfe in der anstehenden ARD-Reportage, die am 31. August ausgestrahlt werden soll. Der Titel des Berichts – „Das System Wiesenhof. Wie ein Geflügelkonzern Menschen, Tiere und Umwelt ausbeutet“ – gebe eine klare Richtung vor, kritisierte Peter Wesjohann, Vorstandschef des Mutterkonzerns PHW. „Was da passieren soll, ist moderne Hexenverbrennung.“ Die Redaktion des ARD-Magazins „Report Mainz“ wies die Vorwürfe zurück. Wesjohann sei mehrmals um ein Interview gebeten worden, jedoch ohne Erfolg. „Derzeit sprechen unsere Autoren mit einer Vielzahl von Experten, Insidern und Betroffenen“, sagte Redaktionsleiterin Birgitta Weber.

Mit Protestschildern und Trillerpfeifen demonstrieren Anwohner und Mitglieder der Bürgerinitiative gegen die geplante Hühnerfarm.


 

Erschienen:
Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung vom
24.07.2011

 


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